Interview mit dem Obermeister

Zimmerermeister Thorsten Schmidt
»Wir brauchen verstärkte Anstrengungen in der Ausbildung von Lehrlingen sowie gute Meister und Bauingenieure.« Thorsten Schmidt Obermeister der Zimmererinnung Leipzig Foto © Jörg Krienke

In Deutschland werden aktuell 20 Prozent aller Neubauten mit Holz gebaut. Auf 50 Prozent ließe sich das nach Informationen der Deutschen Bundesstiftung Umwelt steigern. Holz ist nicht nur beim Neubau interessant. Großes Potenzial hat es auch bei der Sanierung, beim Aufstocken bestehender Häuser und bei der sogenannten »Nachverdichtung«. Über die Entwicklung des Holzbaus in der Region sprach das Deutsche Handwerksblatt (DHB) im Interview mit Thorsten Schmidt, Obermeister der Zimmererinnung Leipzig.

Das Interview

DHB: Wie hat sich der Holzbau in den letzten Jahren entwickelt?

Schmidt: Bis Anfang der 1990er-Jahre hat sich der Holzbau in unserer Region vor allem in Form von Dachstühlen und Sanierung von Holzbalkendecken dargestellt. Danach sind dann die Fertigteilhäuser dazugekommen. Gesetzt wurden die meist von großen Firmen, die regionalen Handwerksbetriebe blieben in der Regel außen vor. Im Holzbau hat sich vieles grundlegend verändert. Anbauten, komplette Häuser, sogar Mehrgeschosser, werden im Holzrahmenbau und in den letzten zehn Jahren sogar zunehmend im Holzmassivbau errichtet. Es wird künftig mehr Mischbauweisen geben, beispielsweise Wände aus Holzrahmen und Massivholzdecke. Die lokalen Zimmereien und Holzbaubetriebe sind sowohl beim Vorfertigen als auch beim Errichten schlüsselfertiger Häuser beteiligt.

Innenansicht der Sakristei
Foto © Irlenbusch von Hantelmann

DHB: Welche Schwerpunkte gibt es bei den modernen Holzbauten?

Schmidt: Holzbau findet man in allen Bereichen. Bei Gewerbegebäuden, Bürogebäuden, Hallen und Verkaufsmärkten ebenso wie bei Wohngebäuden. Holz: Baustoff mit Zukunft. Dabei geht es nicht nur um Neubauten, sondern auch um Anbauten bei bestehenden Massivbauten bis hin zu Aufstockungen bei bestehenden Jahrhundertwendegebäuden. Gerade bei der Verdichtung der städtischen Wohnräume spielt der Holzbau zunehmend eine Rolle. So hat beispielsweise die Stadt Leipzig Mitte November vergangenen Jahres einen Stadtratsbeschluss »Holzbauoffensive für nachhaltiges Bauen in Leipzig – Nachhaltige Baustoffe verstärkt einsetzen« verabschiedet. Unter anderem will die Stadt Pilotprojekte in unterschiedlichsten Anwendungsgebieten initiieren, um die Möglichkeiten der Holzbauweise sichtbar zu machen.

DHB: Es gibt in Deutschland Regionen, in denen der Holzbau schon länger stärker genutzt wird. Was ist dort anders?

 

Schmidt: In Süddeutschland, Österreich und der Schweiz wird schon immer mehr mit Holz gebaut, weil das Material dort bereitsteht. Diese Tradition begründet die höhere Akzeptanz beim Kunden. Alle wichtigen Holzbauweisen kommen aus dieser Region. Die jeweiligen Landesbauordnungen lassen Bauen mit Holz auch bei mehretagigen Gebäuden schon länger zu. In Sachsen dürfen tragende Gebäudeteile in Holz dagegen nur bis zur Gebäudeklasse 4, Fußbodenhöhe der obersten Etage maximal 13 Meter, errichtet werden. Alle größeren Bauten müssen über Einzelgenehmigungen geregelt werden. Auch müssen Brandschutzkonzepte und sonstige Maßnahmen wie Sprinkleranlagen auf jedes Einzelprojekt angepasst werden. Das ist wenig effektiv und verursacht Kosten. Wir als Innung setzen uns dafür ein, dass die Bauordnung entsprechend angepasst wird.

Sakristei Anbau Ansicht
Foto © Irlenbusch von Hantelmann

DHB: Wie kann es gelingen, mehr Akzeptanz für den Holzbau zu schaffen?

Schmidt: Holz ist der Baustoff der Zukunft. Er ist regional verfügbar. Anders als bei anderen Baustoffen wird bei seiner Herstellung kaum CO 2 freigesetzt. Vielmehr speichert Holz für die Dauer der Nutzungszeit das während des Wachstums aufgenommene CO 2 , etwa eine Tonne pro Kubikmeter. Der Holzbau hat eine technische Reife erreicht, die mit dem Massivbau mithalten kann und besser ist, zum Beispiel in puncto Wärmedämmung, Raumklima und kürzerer Bauzeiten. Der Kunde ist gar nicht so schwer zu überzeugen. Auch wächst eine Generation Architekten heran, die dem Holzbau offen gegenübersteht und gewillt ist, in Holz zu planen. Natürlich brauchen wir den Rohstoff Holz mit den ganzen verbundenen Lieferketten und die Fachkräfte.

DHB: Sprechen nicht der Materialpreis und die damit einhergehenden Baukosten gegen den Holzbau?

Schmidt: Voraussetzung für den Holzbau ist eine stabile Versorgungslage mit einer stabilen Preisgestaltung. In allen nachhaltig bewirtschafteten Wäldern in Deutschland und Europa wächst mehr Holz nach als eingeschlagen wird. Eine vernünftige Verteilung vorausgesetzt, ist genügend Holz zum Bauen da. Ein Drittel des deutschen Rohholzaufkommens würde benötigt, um alle Hochbauvorhaben in Holz zu realisieren. Die Situation, die wir jetzt haben, ist auf dem Holzmarkt noch nie da gewesen. Wir hatten im Einkauf von Januar bis Juli Steigerungen bis zu 270 Prozent. Derzeit liegt der mittlere Einkaufspreis für einen Kubikmeter Konstruktionsvollholz bei 550 Euro, im Januar 2020 lag er bei 400 Euro, im Juli bei 1.050 Euro. Das sind Preisschwankungen, bei denen man kein seriöses Angebot machen kann.

DHB: Wäre der Aufbau von stabilen regionalen Lieferketten eine Lösung?

Schmidt: Auf jeden Fall. Zum einen unter dem Nachhaltigkeitsaspekt – man würde Holz nicht über Hunderte Kilometer transportieren. Außerdem wäre man unabhängiger von globalen Playern. Eine Minimierung von Transportwegen durch eine regionale Forstwirtschaft und regionale Sägewerke machen den Einsatz nachhaltiger Baustoffe noch klimafreundlicher und ökologischer.

DHB: Wie sieht es mit den Fachkräften aus?

Detail - Außenverkleidung
Foto © Irlenbusch und Hantelmann

Schmidt: Wir brauchen verstärkte Anstrengungen in der Ausbildung sowie gute Meister und Bauingenieure. Ich bilde derzeit drei Lehrlinge aus und bin personell gut aufgestellt. Die meisten Kollegen würden aber einstellen und suchen Leute. In der Region haben wir derzeit eine gute Ausbildungssituation und gut gefüllte Meisterklassen. Als Mitglied im Meisterprüfungsausschuss erfahre ich auch, dass die Meisterausbildung im Bildungs- und Technologiezentrum einen guten Ruf genießt. Die angehenden Meister kommen deshalb aus ganz Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg.

DHB: Sie haben gerade ein großes Holzbauprojekt realisiert …

Schmidt: Ja, unsere Firma hat einen Supermarkt für Aldi in Groitzsch gebaut, die Wände in Massivholzbauweise aus Brettsperrholz, Innenwände als Holzrahmenkonstruktion und die Dachkonstruktion aus Brettschichtholz. Die 400 Quadratmeter Innenwände und 200 Quadratmeter Attikawände im Holzrahmenbau haben wir in unserer eigenen Halle hergestellt. Der Supermarkt ist ein Pilotprojekt für die Region Mitteldeutschland. Es wird geprüft, inwieweit das finanziell interessant ist und wie die Ausführungszeiten sind. Unsere Arbeit ist fristgemäß fertig geworden. Der Discounter setzt im Verkauf verstärkt auf Nachhaltigkeit und will dies auch mit dem Gebäude unterstreichen. Große Teile der Innenwände werden in Holz sichtbar bleiben, auch die tragenden Außenwände werden innen nicht verkleidet.

DHB: Im März ist der Leipziger Holzbautag geplant. Was ist die Idee dahinter?

Schmidt: In Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer organisieren wir eine Fachtagung, die Ausblicke auf die Entwicklung des Holzbaus gibt und die Betriebe anregen soll, sich im Holzbau zu engagieren. In Vorträgen und einer Podiumsdiskussion werden die Sichten der Wissenschaft, des Forstes, der Sägewerke, der Planer und der ausführenden Unternehmen dargestellt, Wege der Materialbeschaffung in regionalen Kreisläufen aufgezeigt und realisierte Projekte vorgestellt. Ein Architekt beleuchtet ausgeführte Objekte und zeigt, dass Holzbau für alle Betriebsgrößen interessant sein kann. Dabei geht es um moderne Neubauten wie Supermarkt oder Mehrzweckhalle ebenso wie traditionelle Projekte, beispielsweise einen Glockenturm. Betriebe, die interessante Projekte realisiert haben und diese vorstellen wollen, können sich gern melden. Natürlich werden wir Unternehmen auch direkt ansprechen. Begleitet wird die Veranstaltung von einer Präsentation verschiedener Dienstleister. Vor allem wird es viel Raum für einen anregenden Erfahrungsaustausch geben.


Info

Leipziger Holzbautag – Holz baut Zukunft
31. März 2022, 09 bis 15 Uhr
Bildungs- und Technologiezentrum, Steinweg 3, 04451 Borsdorf
Teilnahme ist kostenfrei.
Anmeldung bis zum 29. März 22 unter: -> Holzbautag

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